Der durch den Abgasskandal in die Defensive geratene Autokonzern versucht in einer aufwändigen Kampagne, geschädigte Kläger im Fall des Motorentyps EA 288 davon zu überzeugen, dass eine Klage sinnlos ist.
Bemerkenswert an der Strategie von VW ist die Tatsache, dass der Konzern am 19. Februar erstmalig von einem Oberlandesgericht zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt worden ist - aufgrund vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB (Az. 19 U 151/20).
Da die VW-Anwälte zu einem Gerichtstermin am 12. Februar 2021 nicht erschienen waren, fällte der Senat ein sogenanntes Versäumnisurteil und änderte dadurch ein erstinstanzliches Urteil des Landgerichts Köln teilweise ab.
Käufer wurden getäuscht
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln sieht es in seinem Urteil als bewiesen an, dass VW in ein Vehikel mit dem Motor EA288 eine „prüfstandoptimierte Umschaltlogik“ eingebaut hat – wie bereits beim Motor EA189, der den Dieselskandal 2015 ausgelöst hatte.
Eine manipulierte Motorsteuerungssoftware sei „grundsätzlich geeignet“, den Käufer zu täuschen, so der 19. Zivilsenat des OLG Köln. Der Kläger sei nach § 826 BGB vorsätzliche sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadenersatz. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könne er die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung verlangen, so das Gericht.
VW räumt Klagen wenig Chancen ein
Volkswagen selbst sieht die Causa EA288 gänzlich anders. Auf einer eigens eingerichteten Website führen die Autobauer aus, warum sich eine Klage für geschädigte Konsumenten nicht lohnen würde: „Die Vorwürfe der Klägeranwälte sind haltlos, wonach eine unzulässige Abschalteinrichtung in Fahrzeugen mit EA288 Motoren verbaut wurde. Vergleiche werden im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen nicht geschlossen. Es gibt keinen Anspruch auf Schadensersatz.“
Keine illegalen Abschalteinrichtungen im EA288
Weiteres wird darauf verwiesen, dass in Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA288 keine illegalen Abschalteinrichtungen verbaut wurden: „In allen Volkswagen bekannten unabhängigen Tests hat der EA288 Motor sein hervorragendes Emissionsverhalten vielfach unter Beweis gestellt. Das gilt nicht nur für Prüfstandsmessungen unter definierten Rahmenbedingungen, sondern insbesondere auch für Messungen im realen Fahrbetrieb auf der Straße.“
Volkswagen fährt darüber hinaus auch eine aufwändige Google-Kampagne, die geschädigte Verbraucher davon abhalten soll, rechtliche Schritte gegen den Konzern einzuleiten. In dieser Kampagne nimmt der Konzern vor allem Anwälte unter Beschuss: „Viele Klägerkanzleien schalten nun aggressiv Werbung und versuchen Sie damit, in neue Klagen zu locken. Dazu behaupten sie oft Falsches oder lassen wichtige Informationen weg“, lässt die PR-Abteilung des Wolfsburger Automobilkonzerns vollmundig verkünden.
Anwälte gehen in die Gegenoffensive
Diese Vorwürfe wollen Anwälte nicht auf sich sitzen lassen: „Volkswagen stellt Behauptungen in den Raum, die nicht der Wahrheit entsprechen“, betont Rechtsanwalt Ilja Ruvinskij und führt aus, was hinter der Unterlassungserklärung steckt: So wird auf der Webseite etwa behauptet, dass Klagen wegen des Motors EA288 vor Oberlandesgerichten stets abgewiesen würden.
Die Fakten hingegen sehen anders aus: Die Volkswagen AG kassierte am 19.02.2021 vor dem OLG Köln zum Aktenzeichen 19 U 151/20 eine Niederlage. "Die Anwälte von VW sind zum Prozess nicht erschienen, vermutlich aus taktischen Gründen", so Ilja Ruvinskij. "Diese Klage wurde definitiv nicht abgewiesen, damit ist die Aussage von VW nachweislich falsch. Sollte die Volkswagen AG sich hinsichtlich der weiteren unwahren Aussagen weigern, die Werbemaßnahme zu unterlassen, drohen weitere rechtliche Schritte, im Interesse des Verbraucherschutzes.“
Warum sich eine Klage lohnt
Anda beobachtet die Vorgänge rund um den EA288 genau um empfiehlt geschädigten Autokäufern, die über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, den Klagsweg gegenüber VW einzuschlagen: „"Die groß angelegte Werbekampagne beruht auf der Aussage, dass der Motor EA288 als Nachfolger des EA189 über keine illegale Abschalteinrichtung verfügt. Allerdings häufen sich mittlerweile die Urteile, die entweder VW genau deswegen verurteilen oder weitere Aufklärung in Form von sogenannten Beweisbeschlüssen verlangen“, wie Anda-Geschäftsführer Darius Forghani betont.