Richter müssen nicht erst gegen den Hersteller ihres vom Abgasskandal betroffenen eigenen Autos Klage erheben, um als befangen zu gelten. Nach einem Urteil des BGH reicht es schon aus, wenn sie Schadensersatzansprüche in Erwägung ziehen.
Nach § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, seine Unparteilichkeit in Frage zu stellen. Dabei reicht es aus, dass der "böse Schein" einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität erweckt wird. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Richter eigene – und seien es auch nur mittelbare – ökonomische Interessen am Ausgang eines Verfahrens hat.
Gleicher Sachverhalt reicht für Befangenheit aus
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass es für eine Befangenheit eines Richters nicht erst eine Klage gegen den Hersteller braucht. Vielmehr genügt es, wenn Richter in gleich gelagerten Fällen Ansprüche ernstlich in Erwägung ziehen (Urt. v. 28.07.2020, Az. VI ZB 94/19).
Der BGH hatte bereits Ende letzten Jahres entschieden, dass Richter als befangen gelten können, wenn sie in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei sind, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden haben, aus dem sie für sich Ansprüche gegen eine Partei geltend machen. 2019 ging es um Regressansprüche gegenüber Verantwortlichen von VW, in dem die Vorsitzende Richterin eines OLG-Senats anzeigte, sich der Musterfeststellungsklage gegen VW angeschlossen zu haben.
Daimler zieht nach
Nach VW hat sich auch Daimler mit seiner Ablehnung eines Stuttgarter Richters durchgesetzt. Das Oberlandesgericht erklärte in diesem Verfahren einen entsprechenden Antrag des Konzerns, der den Juristen für befangen hält, zumindest in einem Verfahren für begründet. Damit darf der Richter dort nicht mehr tätig sein, teilte das Oberlandesgericht mit.
Der Autoriese aus Stuttgart hatte den Richter in einer ganzen Reihe von Verfahren mit dem Vorwurf der Befangenheit abgelehnt. Über andere, gleichartige Fälle müsse der Senat aber noch extra entscheiden, hieß es in der Urteilsbegründung.
Der Richter vom Landgericht Stuttgart hatte im Zuge einer Vielzahl an „Dieselgate“-Verfahren gegen Volkswagen bundesweit Bekanntheit erlangt. Auf Antrag von VW bzw. der Porsche-Holding wurde er schließlich wegen des Verdachts der Befangenheit abgelöst.
Verfahren nicht unparteiisch
Im Fall von Daimler gelangte das Oberlandesgericht zu der Überzeugung, dass aus dem Blickwinkel des Konzerns der Eindruck entstehen könne, dass das Verfahren nicht unbefangen und unparteiisch geführt worden sei, was für eine Ablehnung eines Richters absolut ausreichend sei.
Der Richter vermittle unter anderem den Eindruck, nicht zwischen Daimler und VW zu differenzieren und den Sachverhalt einseitig zum Nachteil des Konzerns zu bewerten. Auch grobe Verfahrensfehler wurden seiner Prozessführung vorgeworfen.