Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Ende 2019 ein wegweisendes Urteil im Dieselskandal gefällt. Fünf Jahre nach Auffliegen des Skandals erklärten die Richter nun Softwarefunktionen für illegal, die nur dazu dienen, Emissionswerte auf dem Prüfstand systematisch zu verringern, nicht aber im Straßenbetrieb.
Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen sind in der EU prinzipiell verboten, können aber gemäß einer Verordnung in Ausnahmefällen zulässig sein, um Gefahren abzuwenden. Eine ganze Reihe von Autoherstellern beruft sich hierbei etwa darauf, ihre Motoren vor Verschleiß schützen zu müssen.
Dieser Einschätzung widerspricht der EuGH und hält in seiner Urteilsbegründung fest, dass „nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die zu einer konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen, geeignet sind, die Nutzung einer Abschalteinrichtung zu rechtfertigen“.
Die Verminderung von Verschleiß oder Verschmutzung des Motors sei hingegen kein ausreichend tauglicher Grund, weil ansonsten das grundsätzliche Verbot von Abschalteinrichtungen „seiner Substanz entleert“ wäre. Der Entscheid konterkariert daher auch die Argumentation vieler Hersteller, die Abschalteinrichtungen mit genau diesem Verweis rechtfertigten.
Sieg für Verbraucher
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sprach in seiner ersten Reaktion von einem „Sieg für die Verbraucher“. „Damit hat die juristische Hängepartie endlich ein Ende gefunden“, sagt Gregor Kolbe vom VZBV. Die Autohersteller sieht er nun in der Pflicht, das Urteil zu akzeptieren und sich nicht hinter der alten Argumentation zu verstecken. Dem pflichtet auch der Sprecher des Europäischen Gerichtshofs, Hartmut Ost, bei: "Eine Abschalteinrichtung lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass sie den Motor vor Verschleiß und Verschmutzung schützt."
Muss der Motor runtergefahren werden?
Genau diese Argumentationslinie hatte VW im Streit um die Betrugssoftware vor Gericht bis dato immer vertreten. Egal, ob auf der Straße oder unter Laborbedingungen - "manchmal müssen wir in einem gewissen Temperatur-Bereich die Abgasreinigung sowieso runterfahren, sonst verrottet der Motor." Unter den deutschen Gerichten war bisher umstritten, ob das Herunterfahren der Abgasreinigung - das sogenannte Thermofenster - mit europäischem Recht vereinbar ist oder nicht. Der EuGH hat nun zwar dieses "Thermofenster" nicht ausdrücklich erwähnt. Dazu werden aber in den nächsten Monaten noch konkrete Entscheidungen folgen.
Schadstoffgrenzwerte im Labor eingehalten
Auslöser des EuGH-Verfahrens war ein Fall aus Frankreich, wo gegen einen Hersteller – VW hat sich als Beklagter geoutet - wegen arglistiger Täuschung ermittelt wurde. Im Kern ging es dabei um die Bewertung einer Software von VW, die erkennt, ob ein Auto für Zulassungstests im Labor geprüft wird.
Während der Tests läuft die sogenannte Abgasrückführung, die den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide verringert, mit voller Kraft. So werden im Labor Schadstoffgrenzwerte eingehalten. Im Normalbetrieb wird die Abgasrückführung dann aber gedrosselt. Das bedeutet in weiterer Folge mehr Motorleistung, aber eben auch mehr Stickoxidausstoß. Die fraglichen Fahrzeuge waren mit einem Ventil zur Abgasrückführung (AGR) ausgestattet. Das AGR-Ventil ist eine der Technologien, die von den Automobilherstellern zur Kontrolle und Verringerung der endgültigen NOx-Emissionen verwendet werden.
Auch andere Hersteller mit Abschalteinrichtungen
Die Causa illegale Abschalteinrichtungen wird aufgrund des Urteils der Höchstrichter aus Luxemburg vermutlich auch in der Zukunft noch für juristische Auseinandersetzunhen sorgen, da viele europäische Hersteller – illegale – Abschalteinrichtungen verwenden.
Das sieht auch Anda-Geschäftsführer Darius Forghani so: „Das neuerliche Urteil zu illegalen Abschalteinrichtungen durch den EuGH dient als weiterer Katalysator für Betrugshaftungsklagen gegen Automobilhersteller in Deutschland. Volkswagen, Audi, Daimler und Co. haben dadurch immer weniger Schlupflöcher, um sich Schadenersatzforderungen zu entziehen.“
Anda empfiehlt Geschädigten, die über eine Rechtsschutzversicherung verfügen weiterhin, rechtliche Schritte gegen die Autohersteller einzuleiten, wie Darius Forghani ausführt: „Geschädigte Verbraucher sollten weiterhin den Weg vor die Gerichte gehen, um Schadenersatz gegen manipulierende Hersteller durchzusetzen“.